Schweiz: Neues Lebensmittelrecht ab 1.5.2017 – ein Grund zur Besorgnis? [Update: definitiv nicht :)]

Unser geschätzter Mitberwerber e-smoking.ch hat auf Facebook einen interessanten Beitrag publiziert: nach deren Verständnis gelten E-Zigaretten und E-Liquids aufgrund einer Änderung des Lebensmittelgesetzes (LMG) und dazugehöriger Verordnungen neu als Lebensmittel. Demzufolge seien E-Zigaretten und E-Liquids sog. „neuartige Lebensmittel“ und daher ab 1. Mai 2017 bewilligungspflichtig – und E-Smoking wirft die Frage auf, ob die Schweizer Vaping-Branche diese Gesetzesänderung total verschlafen hat. Um sicher zu gehen, hat der Geschäftsführer verdankenswerter Weise eine Anfrage an das BAG als zuständige Bundesbehörde gestellt.

Sennenquöll meint: Wir halten diese Interpretation für falsch!

Das LMG unterscheidet schon bisher und auch nach der Änderung zwischen Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stufte E-Zigaretten und E-Liquids bisher als Gebrauchsgegenstände (und nicht als Lebensmittel ein). Der Bewilligungspflicht – neu für sog. neuartige Lebensmittel – unterstehen aber nur Lebensmittel, nicht aber Gebrauchsgegenstände. Die entscheidende Frage ist daher, ob das neue LMG an dieser Einstufung etwas ändert; nur wenn dies der Fall wäre, hätten wir wohl ein kleines Problem…

Damit jeder gleich selbst im Original nachlesen und sich eine Meinung bilden kann:

Neu gelten gemäss Art. 4 LMG als Lebensmittel:

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Bis hierher könnte man durchaus annehmen, dass das Inhalieren von Liquids als „Aufnahme von Stoffen und Erzeugnissen durch Menschen“ gelten und daher Liquids und E-Zigis als Lebensmittel klassifiziert werden könnten. So richtig will das aber nicht passen…

Allerdings folgt denn weiter unten im revidierten Gesetz auch die (neue) Definition von Gebrauchsgegenständen:

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Entscheidend ist hier Buchstabe b: „Stoffe und Zubereitungen, die nach ihrer Bestimmung … mit … den Schleimhäuten in Berührung kommen„. Unter diese Definition fallen nach unserer Lesart (wie schon bisher) E-Zigaretten und Liquids. Diese Definition passt viel präziser auf unsere Dampfgeräte und Nachfüllflüssigkeiten; zumal diese schon nach gesundem Menschenverstand genauso wenig Ähnlichkeiten zu Lebensmitteln haben wie Zigaretten (die auch nach neuem LMG offensichtlich nicht als Lebensmittel gelten, da sie explizit ausgenommen sind).

Eine fast identische Definition findet sich nämlich auch im heute noch geltenden LMG, Art. 5 Buchstabe b (und wie oben erwähnt ist das BAG seit jeher der Meinung, dass E-Zigis und Liquids in diese Kategorie gehören [siehe blaue Box*]):

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Fazit: E-Zigaretten und Liquids sind in der Schweiz nach dem (neuen und alten) LMG Gebrauchsgegenstände und keine Lebensmittel. Daher gibt es hier auch keine Bewilligungspflicht. Wichtig bleibt hingegen für die Schweizer Hersteller das Tabakproduktgesetz (TabPG), welches sich im politischen Prozess befindet und E-Zigaretten wie auch Liquids als Tabakerzeugnisse behandeln will.

 * Infobox – Hintergrundinformation

Genau dies sagt das BAG in seinem Informationsschreiben 146/2010 – dort heisst es wörtlich:

„E-Zigaretten und Nachfüllkartuschen (resp. Nachfüllflüssigkeit) werden gemäss der rechtlichen Ein- schätzung des BAG als funktionelle Einheit betrachtet und als Gebrauchsgegenstände (vgl. Art. 5 des Lebensmittelgesetzes, LMG)3 respektive genauer als Gegenstände für den Schleimhaut-, Haut- oder Haarkontakt (vgl. Art. 37 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung, LGV4) qualifiziert“

Das BAG ist somit der Auffassung, dass E-Zigaretten und Liquids deshalb als Gebrauchsgegenstände gelten, weil sie für den Schleimhautkontakt bestimmt sind. Und exakt dieses Kriterium gibt es auch im oben erwähnten neuen Art. 5 Buchstabe b LMG, womit unsere Dampfgeräte und E-Liquids eben auch unter dem neuen Gesetz als Gebrauchsgegenstände und nicht als Lebensmittel gelten.

 Update vom 29.4.2017: BLV bestätigt Interpretation von Sennenquöll

Wie oben erwähnt, hat e-smoking.ch beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eine Anfrage gestellt, um die Einstufung von E-Zigaretten und Liquids unter dem neuen LMG (ab 1. Mai 2017) zu klären. Die Antwort wurde am 28.4.2017 publiziert. Darin hat die zuständige Behörde unsere oben dargestellte Auffassung zu 100% bestätigt – sowohl im Ergebnis, als auch in der Begründung.

Daher gilt: Das neue LMG verändert für Dampfer, Hersteller und Händler nichts und wir können die im Titel gestellte Frage definitiv verneinen – „dieses Gesetz ist KEIN Grund zur Besorgnis“.

An dieser Stelle noch eine Anmerkung für interessierte Leser: e-smoking.ch ist offenbar nach wie vor nicht zufrieden mit dieser Antwort des BLV. Wir können das ein Stück weit nachvollziehen, zumal man sich trefflich darüber streiten mag, ob es überhaupt Sinn macht, Liquids als Gebrauchsgegenstände einzustufen und sie erst noch als „funktionelle Einheit“ mit E-Zigaretten zu betrachten. Entscheidend ist hier aber etwas ganz anderes: das BLV hat sich unter dem altem LMG darauf festgelegt, E-Zigis und Liquids als Gebrauchsgegenstände für den Schleimhautkontakt zu klassifizieren. Darauf gründet die Verwaltungspraxis zu E-Liquids, welche insbesondere das Nikotin-Verbot umasst. Die Definition von Gebrauchsgegenständen gibt es wie oben erwähnt im alten und neuen LMG und zwar wie zitiert praktisch Wort für Wort identisch. Das BLV musste daher bei der bisherigen Einstufung als Gebrauchsgegenstand bleiben, weil alles andere (mangels einer inhaltlichen Änderung der gesetzlichen Definitionen) eine willkürliche Änderung der Verwaltungspraxis gewesen wäre. Daher gibt es für einmal wirklich keinen Grund für Kritik an der Arbeit der Bundesbehörden.

Und hier noch zum Nachlesen die Antwort des BLV im Originaltext:

Sehr geehrter Herr Ric [der Geschäftsführer von e-smoking.ch]

Danke für Ihre Anfrage.

E-Zigaretten und Liquids bilden eine funktionelle Einheit und sind somit als ein Produkt zu betrachten. Dies wurde bereits unter dem heute geltenden Lebensmittelrecht entsprechend gehandhabt.

Somit ist sowohl das Liquid wie auch das Dampfgerät als Gebrauchsgegenstand zu betrachten, wodurch sich an der heutigen Einstufung nichts ändert.

Wir stimmen Ihnen zwar darin zu, dass sich der Begriff des Lebensmittels mit dem Inkrafttreten der Revision verändern wird. Die bisherige Einstufung eines Produktes als Lebensmittel oder als Gebrauchsgegenstand bleibt jedoch unverändert bestehen.

Freundliche Grüsse

Kxxxxx Nyyyyyyy

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV

Bereich Kommunikation
Schwarzenburgstrasse 155
3003 Bern, Schweiz“